Fußball und Menschenrechte – Bericht vom Kongress in Nürnberg

Fußball und Menschenrechte – zwei Begriffe, die bei flüchtiger Betrachtung wenig miteinander zu tun haben scheinen: Zu präsent ist die Zahl von prognostizierten 1000 toten Gastarbeitern auf den Stadionbaustellen in Katar, sind die gewaltsamen Umsiedlungsaktionen vor den Turnieren in Südafrika und Brasilien und die anhaltenden Menschenrechtsverstöße in Russland, dem Gastgeber der nächsten Weltmeisterschaft. Andererseits engagieren sich unzählige Fanorganisationen wie die Football Supporters Europe (FSE), die Fußballfans gegen Homophobie oder eben auch die Löwenfans gegen Rechts für die Einhaltung und Stärkung der Menschenrechte in- und außerhalb des Stadions.

Im Spannungsfeld dieser beiden Ausprägungen fand am 15. und 16. Januar in Nürnberg der Kongress „Fußball und Menschenrechte“ statt. Vier LFgRlerInnen ließen es sich nicht nehmen, die kurze Reise nach Franken anzutreten in der Hoffnung neue Ansätze für unsere Arbeit kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen und dabei den Spaß nicht zu kurz kommen zu lassen.
Die Deutsche Akademie für Fußballkultur, Veranstalter des Kongresses, hatte mit den Seminarräumen der Jugendherberge innerhalb der Nürnberger Burg einen wirklich schicken Tagungsort ausgesucht und zur Begrüßung gab es neben warmen Worten auch Kaffee und Kuchen, was bei der Kälte draußen durchaus hilfreich war.
Die eigentliche Tagung begann dann mit einer allgemeinen Einführung in das Thema Menschenrechte durch Prof. Dr. Bielefeld, Lehrstuhlinhaber für Menschenrechte in Nürnberg. Danach stellten Vertreter von Human Rights Watch und Terres des Hommes ihre sportbezogenen Projekte vor, wobei vor allem die „Sport & Rights Alliance“ (SRA) Erwähnung verdient. Es handelt sich dabei um eine internationale Vereinigung von NGOs, Fanvertretungen und Gewerkschaften, die ihr gesammeltes Know-how dazu verwendet, bei den Veranstaltern sportlicher Mega-Events auf die Einhaltung von Menschenrechten, Umweltschutz- und Anti-Korruptionsbestimmungen zu pochen.
Bis hierhin waren die Vorträge alle interessant, hatten jedoch kaum Bezug zu unserer täglichen Arbeit. Das änderte sich zum Glück mit dem Vortrag von Dani Wurbs (FSE) über „Fanaktivitäten und Menschenrechte“, in dem die Arbeit von FSE vorgestellt wurde und die zahlreichen Aktionen angesprochen wurden, die Fußballfans überall in Europa auf die Beine stellen um eine offene und tolerante Gesellschaft und Kurve vorzuleben.
Nach dem Abendessen in der Jugendherberge ging es zu einer Podiumsdiskussion im historischen Rathaussaal zum Thema „Baustelle Menschenrechte: Die Weltmeisterschaften in Russland und Katar“, also wieder ein Thema, das von den Problemen, die es vielleicht auch im deutschen Fußball gibt, wegführte. Die Podiumsteilnehmer Claudia Roth (Grüne), Dr. Mark Pieth (ehemaliger Leiter der FIFA-Reformkommission), Sylvia Schenk (Transparency International Deutschland) und Helmut Spahn (International Centre for Sport Security) führten eine emotionale (Roth) bis abgeklärte (Spahn) Diskussion über die Chancen und Risiken, Sportgroßereignisse an „lupenreine Demokratien“ wie Russland und Katar zu vergeben. Spahn wies darauf hin, dass erst durch die WM-Vergabe an Katar das in der Golfregion übliche Kafala-System in das Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerückt wurde und dass der ständige Druck das Land hin zu einer Stärkung der Menschenrechte führen würde. Dagegen sprach sich Frau Roth für einen WM-Entzug aus, da man auf dem Blut der Arbeiter keinen Fußball spielen dürfe. Die zwei anderen Podiumsteilnehmer nahmen eher schlichtende und relativierende Positionen ein. Neben Katar ging es auch um die Trainingslager der Bundesligisten in den Golfstaaten, während Russland merkwürdigerweise überhaupt nicht thematisiert wurde. Ganz lustig ist noch eine Anekdote von Frau Schenk: So hat vor dem Trainingslager der Roten Uhren-Kalle bei ihr angerufen um sich über die Situation im Lande zu informieren und habe wohl um eine Art vorsorgliche Absolution gehofft. Man sieht: Natürlich ist die Wahl des Trainingslagers „keine politische Äußerung“.
Den Abschluss des Tagesprogramms bildete dann der Empfang im Rathaus. Hier bestätigte sich dann unsere schon vorher gemacht Beobachtung, dass sich der Kongress nicht in erster Linie an Fans richtete. Wir stellten zu viert die größte Fangruppierung, die restlichen szenenahen Teilnehmer waren meist Blogger oder Fanprojektler… Naja, so blieb mehr vom ausgeschenkten Freibier und Wein für uns.

Am nächsten Morgen hieß es früh aufstehen, was nicht jeden von uns einfach fiel, um an den Workshops teilzunehmen. Wir verteilten uns mit je einem Teilnehmer auf „Fußball und Inklusion“ „Empowerment durch Fußball“ und schickten zwei Vertreter zum Workshop „Fanrechte“, während das Thema „Sportartikelindustrie“ leider außen vor bleiben musste.

Während der darauffolgenden Abschlussrunde wurden dann aus den Ergebnissen der Workshopphase und der Vorträge ein Fazit erarbeitet, welches zu zweierlei Erkenntnissen führte: Erstens dürfe man sich bei der Kritik der FIFA-Weltmeisterschaft nicht ausschließlich auf Katar fokussieren, sondern müsse die Menschenrechtsverletzungen bei der zeitlich und örtlich näher gelegenen WM in Russland stärker thematisieren. Zweitens stelle der Fußball ein erfolgreiches Mittel zur Stärkung der Menschenrechte dar, sei es unter anderem durch Flüchtlings- und Entwicklungszusammenarbeit, der Inklusion von Menschen mit Behinderungen oder der Stärkung von Frauenrechten.

Insgesamt ein recht vergnügtes Wochenende, bei dem der Mehrwert für unsere Arbeit, zumindest am ersten Tag, jedoch etwas auf der Strecke blieb. Dafür haben wir ein paar gute Leute kennengelernt und alte Bekannte wiedergetroffen – und unserem Ruf am Glas sind wir, glaub ich, auch gerecht geworden…