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Weil wir darüber sprechen müssen: Antisemitismus im Fußball

Am 6. Februar luden die Löwenfans gegen Rechts, gemeinsam mit dem TSV Maccabi München und unterstützt durch den Kurt-Eisner-Verein, in das Vereinsheim des TSV Maccabi in Riem zum Vortragsabend „Zwischen Abgrund und Aufbruch – Antisemitismus im Fußball“ mit dem Sportjournalisten Ronny Blaschke ein. Die Veranstaltung fand im Rahmen von !Nie Wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball statt. Mehr als 30 Interessierte fanden den Weg nach Riem, um sich den Vortrag anzuhören und an der anschließenden angeregten Diskussion teilzunehmen.
Die Veranstaltung liegt mittlerweile mehr als zwei Wochen zurück – Aktuelle Ereignisse zeigen aber, dass man judenfeindliche Vorfälle im Fußball ins Bewusstsein rücken und ernst nehmen muss.

Antisemitismus im Fußball – Für viele Funktionäre und die meisten Fans kein Thema. Ronny Blaschke zeigt eine andere Seite: Anhand verschiedener Beispiele verdeutlicht er, dass das Tabu Antisemitismus im Fußball oft nicht zu gelten scheint.
Antisemitische Vorurteile finden leider immer noch zu oft in der Gesellschaft Anklang – und im Fußball ein Ventil. „Jude“ als Schimpfwort für den verhassten Gegner oder das „U-Bahn-Lied“, in dem der Bau einer U-Bahn vom gegnerischen Spielort nach Auschwitz gefordert wird, sind Beispiele dafür, wie sich der Hass auf die gegnerische Mannschaft in judenfeindlichen Parolen äußert.
Erst am 15. Februar 2015 zeigten einige Anhänger des FC Luzern mit einer absolut geschmacklosen Aktion, wie Antisemitismus im Fußball ganz schamlos ausgeübt wird: Rund 300 Fans des FC Luzern trieben einen als klischeehaften Juden verkleideten FC Luzern-Fan, der einen Schal des Gegners FC St. Gallen trug, symbolisch durch die Straßen. Der von den Beteiligten zum Karnevalsscherz verharmloste Vorfall zeigt, wie offen und hässlich sich Antisemitismus im Fußball äußern kann.

Ronny Blaschke sieht auch positive Entwicklungen: Viele Fangruppen, Fanprojekte und Einzelpersonen, die sich für Vielfalt und Toleranz im Fußball einsetzen, machen auf Antisemitismus aufmerksam. In Bremen hat sich mit den „Fußballfans gegen Antisemitismus“ eine Faninitiative gegründet, die sich besonders intensiv mit dem Thema auseinandersetzt. Und Ronny Blaschke kann mit seinem Vortragsabend hoffentlich noch vielen Fans zeigen, dass Antisemitismus im Fußball kein harmloses Ausnahmephänomen ist – damit sie wachsam und mit einem geschärften Bewusstsein gegen ihn vorgehen können.

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Wie jüdisches Leben in München stattfindet, haben einige Löwenfans am Sonntag nach dem Vortragsabend bei einer Besichtigung der Ohel Jakob-Synagoge erlebt. Durch den „Gang der Erinnerung“, an dessen Wand die Namen der über 4.500 Münchner Jüdinnen und Juden stehen, die während des nationalsozialistischen Unrechtsstaats deportiert und ermordet wurden, betraten wir die Synagoge und bekamen einen spannenden Einblick in die jüdische Religion. Die strengen Sicherheitsvorkehrungen, die nach den Anschlägen in Paris und Kopenhagen noch weiter erhöht werden mussten, zeigen, dass jüdisches Leben auch hier in München geschützt werden muss.

Für Antisemitismus darf es keinen Platz geben – auch nicht im Fußball. Ebenso wie rassistische, homophobe, sexistische oder sonstige diskriminierende Äußerungen müssen judenfeindliche Sprüche, Abbildungen und Aktionen verurteilt werden und aus den Stadien verschwinden. Denn jede noch so große Rivalität rechtfertigt keine Menschenfeindlichkeit.

(LB)

Aachen Ultras: Kein Einzelfall

Quelle: wochenanzeiger.de

Engagement ohne Gegenliebe

Wie bei Spiegel Online, den Aachener Nachrichten und beim Bündnis Aktiver Fußballfans nachzulesen, haben sich die Aachen Ultras (ACU) aus dem Stadion zurückgezogen und werden künftig keine Spiele der eigenen Mannschaft mehr besuchen. Dies geschieht, nach eigener Aussage, auch zum Selbstschutz, da gewalttätige Übergriffe rechter und ultrarechter Fans aus dem Umfeld der Karlsbande (KBU) und anderer zumindest rechtsoffener Gruppierungen nicht nur im Stadionumfeld stattfanden, sondern sich auch auf das private Umfeld erstreckten.
Den Aachen Ultras gebührt für ihren Kampf für eine bunte Kurve und gegen Diskriminierung und für das Aufzeigen rechter Strukturen innerhalb der eigenen Fanszene – dies alles unter extrem schwierigen Bedingungen – Respekt und Dank. Dem Verein wie auch der restlichen Fanszene dagegen kann man nur die allerherzlichsten Glückwünsche aussprechen – denn ein Problem welches man nicht sieht oder sehen will, existiert ja bekanntlich nicht.

Und bei 60?

Auch wenn im Ausmaß bei weitem nicht vergleichbar, so lassen sich zum Geschehen in Aachen doch Parallelen ziehen zu anderen Vereinen, darunter unter anderem unserem heiß geliebten Chaosverein:
Wer Engagement zeigt für eine bunte Kurve, für eine Fankurve in der sich jeder wohlfühlt, der den Löwen im Herzen trägt – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Abstammung oder sexueller Ausrichtung -, der muss sich dem Vorwurf aussetzen ein „Linksextremist“ zu sein oder aber Politik ins Stadion zu tragen, welche dort nichts verloren hat. Rassistische und ähnliche Äußerungen werden allgemein als nicht so störend empfunden wie der Hinweis auf diese. Immerhin existiert in der Vereinsführung des TSV 1860 mittlerweile ein Problembewusstsein zur Thematik. Jedoch kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass sich die Verantwortlichen auf dem bisher Erreichten ausruhen. Auch wenn die Medien momentan dem Thema einen sehr breiten Raum einräumen, so darf nicht vergessen werden, wie die Debatte rund um das Konzeptpapier „Sicheres Stadionerlebnis“ geführt wurde. Fans wurden pauschal als gewalttätige, dumpfe Masse tituliert, und es wurde über diese geredet, jedoch nicht mit ihnen. Und auch für die DFL war das Thema Rassismus nur eine Randnotiz in der Debatte und wurde gar mit Pyrotechnik auf eine Stufe gestellt.
Dank vieler engagierter Fans und einer Vereinsführung, die dem Thema zumindest nicht ablehnend gegenübersteht, befindet man sich beim TSV im Vergleich zu anderen Vereinen in einer vergleichsweise komfortablen Position. Jedoch heißt es weiterhin aktiv zu bleiben, damit es nicht zu einer Entwicklung kommt, wie sie in Aachen ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Es wartet noch viel Arbeit…

Es ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, damit Begriffe nicht undifferenziert verwendet werden (z.B. „Gutmensch“ oder der Extremismusbegriff) oder mit Parolen wie „Politik aus dem Stadion“ um sich geworfen wird, ohne dass bemerkt wird, wer davon profitiert.
Hier sind die Fans in der Pflicht sich zu informieren, wie und wo Ausgrenzung stattfindet, und aktiv gegen diejenigen vorzugehen, die diese betreiben, anstatt gegen diejenigen, die darauf hinweisen!
Der Verein darf es nicht bei symbolischen Aktionen belassen, sondern muss proaktiv vorgehen und sich – nicht nur – wiederholt eindeutig positionieren!
Die DFL muss endlich erkennen, dass es sich bei Rassismus und Diskriminierung um etwas handelt, was nicht unter „ferner liefen“ behandelt werden kann und darf!
Allgemein bleibt die Hoffnung, dass der Rückzug der Aachen Ultras ein Weckruf ist, der aufzeigt, dass engagierte Fans nicht allein gelassen werden dürfen und dass es sich um Probleme handelt, welche nicht nur auf den Fußball und sein Umfeld beschränkt sind.

Weitere Links zum Thema:

Rechts vor Links in der Kurve
In der Rechtskurve
ZDF SPORTreportage – Die Braunen im Blick
Der „unpolitische“ Block 132 live und in Farbe