Stellungnahme der Löwenfans gegen Rechts zur geplanten Verschärfung der Grünwalder-Stadionverordnung

Mit Ungläubigkeit haben wir die Sitzungsvorlage Nr. 20-26 / V 00199 des Münchner Stadtrats (https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris … id=5887148), die unter anderem Änderungen der Grünwalder-Stadionverordnung behandelt, gelesen. Demnach sollen alle Spiele von Herrenmannschaften im Grünwalder Stadion zu Risikospielen erklärt werden.


Einzelfall wird zur Regel gemacht

Seit fast drei Jahren trägt die erste Mannschaft unserer Löwen ihre Heimspiele wieder in Giesing aus. Dabei kam es bei der überwiegenden Anzahl der Partien weder auf Seiten der Heim- noch der Gästefans zu ernstzunehmenden Problemen. Im Gegenteil wurde das Verhalten der Fans von Anwohner*innen, Politik und selbst von der Polizei mehrmals gelobt.

In erster Linie stützt sich die Argumentation des Polizeipräsidiums, die vom Kreisverwaltungsreferat unreflektiert übernommen wird, dabei auf Vorfälle beim Gastspiel des Halleschen FC am 10. November 2018, wonach sich Gästefans daneben benommen haben sollen. Die Verfolgung der vermeintlichen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten war bzw. ist aber auch ohne eine Verschärfung der Verordnung möglich, nämlich auf Grundlage der einschlägigen Gesetze wie dem Strafgesetzbuch. Für uns ist es unverständlich, dass nun ein Einzelfall zur vermeintlichen Regel gemacht werden soll und so suggeriert wird, in Giesing könne man sich an Spieltagen nicht mehr aus dem Haus trauen.

Außerdem erklärt die Polizei, dass die „Gaststätten und Örtlichkeiten im Umfeld“ des Stadion[s] bei jedem Spiel Relevanz“ haben und daher dort oftmals polizeiliche Maßnahmen notwendig seien. Dass der erste Halbsatz stimmt, kann an jedem Spieltag beobachtet werden. Dass deshalb aber öfter polizeiliche Maßnahmen notwendig sind, können wir nicht bestätigen. Vielmehr trinken die Leute gemütlich ein Getränk und unterhalten sich friedlich.


Zeitliche Ausweitung nicht nachvollziehbar

Neben der Erklärung aller Partien zu Risikospielen soll auch der zeitliche Rahmen ausgeweitet werden. Begründet wird dies mit dem Zünden eines Rauchtopfs nach dem Relegationsspiel gegen Saarbrücken. Es sollte auf der Hand liegen, dass der größte Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte und die damit verbundenen Feierlichkeiten nicht alltäglich sind und daher nicht als Argument für eine Verschärfung der Verordnung dienen. Davon abgesehen können wir nicht nachvollziehen, dass ein einzelner, kontrolliert abgebrannter pyrotechnischer Gegenstand eine erhöhte Gefahr darstellt; vor allem da dies zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, der auch bislang von der Verordnung abgedeckt war.


Verbot des Durchreichens von Gegenständen nicht zielführend

Als dritten Punkt sieht die Änderung vor, dass das Durchreichen oder Werfen von Gegenständen durch bzw. über den Zaun als Ordnungswidrigkeit zu behandeln ist. Begründet wird dies damit, dass vor dem Spiel gegen Kaiserslautern vergangenen September Fans beobachtet wurden, wie sie drei Kisten in das Stadion geworfen haben. Später wurde Pyrotechnik eingesetzt.

Ein Zusammenhang lässt sich aber nicht belegen, wie selbst die Polizei zugeben muss. Davon abgesehen hätte das Mitführen von pyrotechnischen Gegenständen ohnehin geahndet werden können. Durch die Änderung wäre es künftig aber nicht mehr legal, dass Bekannten, die zu spät kommen, ihre Eintrittskarte durch den Zaun gereicht wird – eine völlig harmlose Praxis, die Spiel für Spiel stattfindet.


Ausreichende Befugnisse der Sicherheitsbehörden vorhanden

Wie bereits erwähnt sind polizeiliche Maßnahmen auch ohne die Einordnung als Risikospiel möglich. Sämtliche in der Sitzungsvorlage aufgeführten Beispiele hätten (und wurden) unabhängig von der Grünwalder-Stadionverordnung auf Grundlage von Gesetzen (wie z.B. das Polizeiaufgabengesetz, das Strafgesetzbuch, das Landesstraf- und Verordnungsgesetz) verfolgt werden können.

Da die Gesetzgebung bereits ohnehin ausreichend Eingriffsmöglichkeiten für die
Sicherheitsbehörden bereit hält, ist aus unserer Sicht auch die „Kategorie Risikospiel“ grundsätzlich zu hinterfragen. Zumal es hierfür keine gesetzliche Definition gibt, sondern die Einschätzung in der Regel durch die Sicherheitsbehörden erfolgt. Für andere Beteiligte wie Klubs und Fanprojekte ist es oft nicht nachvollziehbar auf welcher Grundlage die Einordnung zustande kommt.


Vorbild Stadionallianzen in Baden-Württemberg

Sinnvoller ist es, die Anzahl von an Spieltagen eingesetzten Beamt*innen so weit wie möglich zu senken. Wie das funktionieren kann, zeigen die so genannten Stadionallianzen in Baden-Württemberg. Dort werden vor, während und nach den Spielen Entscheidungen von Klubs, Fanprojekten und Polizei gemeinsam getroffen und mitgetragen. Alle Beteiligten dort ziehen ein positives Fazit aus den Entscheidungs- und Kommunikationsstrukturen und sehen die Stadionallianzen als Beispiel für andere Bundesländer. So können bei konstantem Sicherheitsniveau Einsatzstunden der Polizei massiv reduziert werden (vgl.: https://www.dfl.de/de/aktuelles/stadion … -bewaehrt/). Dies sollte auch im Interesse der bayerischen Exekutive liegen, die seit Jahren über Überstunden klagt. Der Verdacht, dass die Münchner Polizei durch das Befürworten der Einordnung von allen Spielen als Risikospiele ihre meist übertriebene Anwesenheit bei Fußballspielen rechtfertigen will, liegt nahe. Überstunden werden so nicht abgebaut.


Polizei ist Sicherheitsrisiko für Fans

Unabhängig davon stellen das größte Risiko für die Sicherheit von Fußballfans immer noch willkürliche Polizeieinsätze dar. Dies mussten wir im Grünwalder Stadion unter anderem beobachten, als gegen die Gästefans aus Kaiserslautern ohne erkennbare Gründe im vergangenen Herbst Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt wurden (vgl.: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/mu … -1.4625846).


Sinnvolle Änderungen der Stadionverordnung

Eine Änderung der Stadionverordnung befürworten wir aber in anderen als den vom KVR vorgeschlagenen Punkten:

In § 5 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 Buchst. a ist die Rede von linksextremistischen Propagandamaterial und Parolen; außerdem findet sich der Begriff „fremdenfeindlich“.

Die „Hufeisentheorie“, die Links- und Rechtsextremismus gleichsetzt, war schon immer – und ist es heute mehr denn je – unzeitgemäß. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist leider immer noch Thema im und um das Stadion – dagegen sollte konsequent vorgegangen werden. Mit Linksextremismus hat dies aber nichts zu tun.

Der Begriff Fremdenfeindlichkeit suggeriert, dass Opfer von Rassismus fremd seien – also „nicht hierher gehören“. Meist sind jedoch keine (weißen) Tourist*innen oder kürzlich Zugezogene betroffen, sondern Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in München haben. Das Problem sollte daher beim Namen benannt werden: Rassismus und andere Arten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie z.B. Homophobie, Antisemitismus, Antiziganismus.

Wir appellieren an die Münchner Stadtratsmitglieder, der Vorlage nicht zuzustimmen und sich mit den anderen Beteiligten an dem Baden-Württemberger Weg zu orientieren. Außerdem sollten die Begriffe linksextrem und fremdenfeindlich aus der Verordnung gestrichen werden.


Löwenfans gegen Rechts im Juni 2020