Eine zynisch-satirische Betrachtung eines besonderen Angebotes von HI² und TSV München von 1860
Unser heißgeliebter TSV versucht also mal das mit dem Marketing, dem Erschließen neuer Zielgruppen. Wie nicht anders zu erwarten, springt die neue Vermarktungsgesellschaft dabei natürlich in den erstbesten sich bietenden Fettnapf. Und da es dabei um den TSV geht, wird natürlich vorher noch kräftig Anlauf genommen.
Vom Schminktisch zum Proseccostand
Zum „Derby“ gegen den FC Ingolstadt gibt es also ein spezielles Angebot für die „Ladies“. Während die Herren „im Business Club über die Aufstellung debattieren“, dürfen die Damen „ungestörte Gespräche bei Prosecco, Wellness Drinks und feiner Schokolade“ führen. Ebenfalls im Angebot: eine kurze Handmassage und Inspiration durch „neue Kosmetikprodukte und ausgefallene Schmuckstücke“.
Ein interessantes Frauenbild, welches man da beim Vermarkter zu haben scheint. Da stellt sich doch unweigerlich die Frage, ob das Wörtchen „ungestört“ nicht verrutscht ist in diesem Angebot. Okay, den kleinen inhaltlichen Fauxpas ziehen wir doch hier gerne mal gerade: „Während die Herren im Business Club ungestört über die Aufstellung debattieren…“ Denn so eine Frau kann einem doch schon den ganzen Spaß am Fußball nehmen.
Huch, Fansein geht auch ohne Penis?
Vielleicht hätte den Menschen vom Vermarkter bis zum 2. oder 3. Stock der Geschäftsstelle, die dieses Angebot zu verantworten haben, ein kurzer Blick in die Fankurven, ob auswärts oder daheim, geholfen. Angeblich soll es dort sehr engagierte Fans geben. Und, oh Schreck, es wurden sogar weibliche Exemplare der Gattung „Fan“ gesichtet. Diese engagieren sich in Fangremien, organisieren Auswärtsfahrten, bringen Ideen und Vorschläge ein und setzen diese sogar um etc. pp. Ja, diese Fans können sogar ohne Handmassage über die Aufstellung debattieren. Und dann gibt es noch Fans, die im Jahre 2011 eine Ausstellung nach München holten, in der es unter anderem um das Thema „Sexismus im Fußball“ geht.
Nicht nur ist das Frauenbild, welches mit „Ladies willkommen“ umschrieben wird, eines von vorgestern. Um das Gesamtbild erst so richtig komplett zu machen, kommt es auch noch in Zeiten einer intensiv geführten Sexismusdebatte. Nach dem übergriffigen Verhalten eines Politikers gegenüber einer Journalistin und einem Blogbeitrag folgten ein Aufruf bei twitter (#aufschrei) und schon rollte eine Flut von Erfahrungsberichten zum Thema (Alltags-)Sexismus durchs Internet und erreichte schließlich auch Printmedien und TV.
Hätte, hätte, Fahrradkette, oder so
Um zu erfahren, wie sich nun diese angeblich neue Zielgruppe für einen Besuch in der Arena erwärmen lässt, hätten sich der Vermarkter und/oder der TSV einfach mal unter den eigenen Fans umschauen und diese nach ihren Wünschen fragen können. Der Verein hätte sich mit seinen Fans an einen Tisch setzen können oder einfach ein Fangremium befragen können. Der Verein hätte so vielleicht das ein oder andere erfahren können, was den gemeinen Fan – völlig unabhängig vom Geschlecht – denn nun stört und wo der Fan Optimierungspotential sieht. Vielleicht hätte der Verein ja auch mal die Fans befragen können, die sich mit dem Themenfeld „Ausgrenzung aufgrund des Geschlechts“ ein wenig besser auskennen.
Stattdessen wird also eine Kampagne gestartet, in der Frau abgewertet wird. Degradiert zur schampusschlürfenden Dauerplaudertasche mit überbordendem Shoppingbedürfnis. Für diesen wichtigen Beitrag, den die Verantwortlichen hier leisten, gebührt ihnen natürlich aufrichtigster Dank. Und damit hier nicht nur Gemotze steht ein kleiner Tipp für die nächste „Ladies willkommen“-Aktion: Baut am besten noch mehrere Schuhgeschäfte in die Arena ein. Denn wie wir ja alle wissen, denkt Frau grundsätzlich nur ans Schuhe kaufen und um Fußball geht es ihnen nur am Rande.
Update 22.02.2013:
Ergiebige Fettnapfvorkommen entdeckt
Der Vermarkter hat die Beschreibung seines Angebotes jetzt also geändert und aus den „Ladies“ wurden „Löwinnen und solche, die es noch werden wollen“. Und gar plötzlich werden durch den Geschäftsführer der KgaA zwei weibliche Angestellte des Vermarkters aus dem Hut gezaubert, deren Idee dies gewesen sein soll. Na sowas auch.
Die deutliche Kritik an der Aktion zum „Derby“ beruht also laut unserem Vermarkter, in Tateinheit mit den Herren aus dem 3. Stock der Geschäftsstelle, auf einer „missverstandenen Wahrnehmung“. Zu guter Letzt zaubert man(n!) dann auch noch eine Art Gewinnspiel aus dem Hut, um die ersten 60 Löwinnen, welche sich melden, zu belohnen.
Liebe Verantwortliche, ganz kurz und knapp: Ernsthaft? Ist diese Kampagne ernsthaft der Versuch eines verantwortlichen Umgangs mit seinen Fans, gleich welchen Geschlechts? Ist die bereits zitierte „missverstandene Wahrnehmung“ wirklich der Versuch, sich aus der Verantwortung zu stehlen? Oder doch eher der mehr als peinliche Versuch denjenigen die Schuld in die Schuhe zu schieben, die mehr als deutliche Kritik an dieser Marketingkampagne geübt haben? Ist also der Hinweis auf das Bedienen veralteter Rollenklischees und das Absprechen von Fußballsachverstand ehrlich ein Wahrnehmungsproblem? Und meint Ihr Verantwortliche ernsthaft, dass ein Geschenk an 60 „Löwinnen“ diese Aktion auch nur einen Deut besser macht? Ist der respektvolle Umgang mit Fans, gleich welchen Geschlechts, ernsthaft eine Handelsware?
Mit verständnislosem Gruß
Die Löwenfans gegen Rechts