Nach mehreren Ankündigungen und weiterem Zögern, hat die Berufungsklägerin TSV 1860 Merchandising GmbH am Morgen des heutigen Verhandlungstages vor dem Oberlandesgericht Nürnberg die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückgenommen.
Die Rücknahme beruht maßgeblich auf einer aufopferungsvollen und friedenstiftenden Intervention des neuen Geschäftsführers der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA, Marc-Nicolai Pfeifer.
Die Berufungsklägerin ist damit des Rechtsmittels verlustig und hat sämtliche Kosten beider Rechtszüge zu tragen. Das erstinstanzliche Urteil ist rechtskräftig.
Im Frühjahr 2018 wurde anlässlich des Freundschaftsspiels TSV 1860 – Chemie Leipzig der aktiven Fanszene die Gestaltung der Stadionzeitung überlassen. Die Rohversion enthielt unter anderem eine Panoramaaufnahme der Fankurve, auf der als Beiwerk ein Plakat mit der Aufschrift „50+1 muss bleiben“ zu sehen war. In der Druckausgabe wurde dieses Plakat ohne Rücksprache zensiert. Im Frühjahr 2019 war in der Westkurve ein investorenkritisches Plakat unter Verwendung des Vereinswappens zu sehen. Dieses Plakat wurde in der anschließend veröffentlichten, offiziellen Fotogalerie wiederum zensiert.
Vor diesem Hintergrund entschloss sich die u.a. vom DFB mit dem Julius Hirsch Preis für Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit ausgezeichnete Fangruppierung „Löwenfans gegen Rechts“ dazu, ein Zeichen gegen Zensur und für freie Meinungsäußerung zu setzen. Im Zuge einer ausdrücklich einmaligen Aktion sollten im Rahmen eines Spieltags 100 T-Shirts mit dem vorgenannten, investorenkritischen Fanplakat bedruckt und sodann gegen Spenden für gemeinnützige Zwecke verteilt werden. Die Aktion sollte sich nicht direkt gegen den Investor richten, man wollte vielmehr schlichtweg für die Meinungsfreiheit eintreten.
Zwischen der Ankündigung und der Durchführung der Aktion ließ die TSV 1860 Merchandsing GmbH, an der weder die TSV München von 1860 GmbH & Co. KG noch der TSV München von 1860 e.V. Anteile halten, den Sachverhalt abmahnen. Insoweit wurde ein Vereinsmitglied markenrechtlich vollumfänglich u.a. auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Abmahnung war nicht etwa gegen das Vereinsmitglied als Vertreter der Fangruppierung gerichtet. Vielmehr richtete sich das Vorgehen gegen die Privatperson.
Daraufhin bat das Vereinsmitglied den Unterzeichner um Unterstützung. Die Prüfung der Sach- und Rechtslage ergab eindeutig, dass eine Markenverletzung nicht vorlag. Nach diesseitiger Rechtsansicht war bereits im außergerichtlichen Verfahrensstadium klar, dass nahezu kein einziges markenrechtliches Tatbestandsmerkmal erfüllt ist. Hierzu ist Folgendes festzuhalten:
- es fehlte an der Passivlegitimation, da das Vereinsmitglied persönlich überhaupt nichts mit der Aktion zu tun hatte;
- es fehlte an einem relevanten Handeln im geschäftlichen Verkehr;
- es fehlte an der markenmäßigen Verwendung;
- es fehlte nach der vorzunehmenden Abwägung an dem Vorrang des Markenrechts vor der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit.
Vor diesem Hintergrund und im Bewusstsein des immensen persönlichen und finanziellen Drucks, den ein markenrechtliches Verfahren auf Privatpersonen ausüben kann sowie nach Rücksprache mit ihm vertrauten Vereinsfunktionären, entschloss sich der Unterzeichner dazu, das sensible Mandat zu übernehmen. Der Mandantin wurde empfohlen, sich nicht zu unterwerfen.
Die diesseitige Rechtsansicht wurde zunächst außergerichtlich kommuniziert. Im nachfolgenden Gerichtsverfahren wurden die markenrechtlichen Ansprüche dann nicht mehr auf das investorenkritische T-Shirt-Motiv, sondern vielmehr auf das „offizielle“ Logo der Fangruppierung gestützt. Dieses zeigt einerseits das Vereinswappen und andererseits eine stilisierte Faust, welche ein Hakenkreuz zerschmettert. Das Logo ist im Vereinsumfeld seit ca. 30 Jahren bekannt und dessen Nutzung durch die Fangruppierung wurde von vormaligen Geschäftsführern nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich begrüßt.
Nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage, wurde diesseitig die gleiche Rechtsansicht wie hinsichtlich des investorenkritischen Motivs vertreten.
Mit Urteil vom 21.11.2019 wies das Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage der TSV 1860 Merchandising GmbH vollumfänglich ab und die diesseitig gestellten negativen Feststellungsanträge hatten vollumfänglich Erfolg.
Im weiteren Verlauf legte die TSV 1860 Merchandising GmbH, für den Unterzeichner überraschend, Berufung ein. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren war es der Berufungsklägerin nicht gelungen, deren Aktivlegitimation nachzuweisen. In zweiter Instanz legte die TSV 1860 Merchandising GmbH dann diverse Unterlagen vor, aus denen sich aus diesseitiger Sicht und nach einem klaren Hinweis des Oberlandesgerichts aber ebenfalls nicht die Aktivlegitimation ergibt. Damit wurde klar, dass kein einziges (!) Tatbestandsmerkmal einer Markenverletzung erfüllt war.
Vor diesem prozessualen Hintergrund wurde die Berufung dann zurückgenommen. Die Mandantin ist damit von dem Vorwurf angeblicher Markenverletzungen vollständig rehabilitiert. Die Nutzung des streitgegenständlichen Logos der „Löwenfans gegen Rechts“ war und ist gesetzeskonform.
Der TSV 1860 GmbH & Co. KGaA wird hiermit nachdrücklich anheimgestellt, künftig markenrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche selbst geltend zu machen. Das streitgegenständliche Verfahren hat gezeigt, dass dies auch der geltenden Gesetzes- und Vertragslage entspricht. Hierbei ist es zwingend notwendig, dass künftig eine sensible Prüfung im Einzelfall unter Berücksichtigung von Fanbelangen erfolgen wird. Die Beteiligten sollten aus den negativen Schlagzeilen der Vergangenheit die passenden Konsequenzen ziehen.
Es wird allerdings klargestellt, dass auch nach diesseitiger Ansicht und völlig unabhängig von vereinspolitischen Gegebenheiten, Markenverletzungen nicht zu dulden sind. Ein aktives Vorgehen gegen Verletzer ist für eine erfolgreiche Markenpolitik unabdingbar. Weiter wird klargestellt, dass es sich bei dem nunmehr rechtskräftigen Urteil um eine Entscheidung im Einzelfall handelt, die nur zwischen den Parteien Wirkung entfaltet. Schließlich bedeutet das Urteil auch nicht, dass sämtliche von der TSV 1860 Merchandising GmbH abgemahnten Personen Gegenansprüche aufgrund fehlender Aktivlegitimation geltend machen können. In diesen Fällen kann die TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA die entsprechenden Vorgänge im Innenverhältnis mit Wirkung nach außen nämlich problemlos genehmigen.
Diesseitig wurde der Geschäftsführung, dem Präsidium und dem anwaltlichen Vertreter der Berufungsklägerin zugesagt, dass bei einer Rücknahme der Berufung eine Deeskalation für die Zukunft im Vordergrund stehen soll. Diese Zusage soll nicht nur eingehalten werden, sondern sie fühlt sich auch persönlich richtig an.
Das gesamte Vereinsumfeld wird hiermit aufgerufen, auf ein „Nachtreten“ zu verzichten. Unabhängig von der klaren Rechtslage, gebührt der vermeintlichen Gegenseite Respekt für die Entscheidung, die Angelegenheit zu beenden. Das vollumfängliche Anerkenntnis des Urteils hat nämlich nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine emotionale Komponente, die bei der Bewertung der Gesamtangelegenheit zu berücksichtigen ist. Zudem wird es ausdrücklich begrüßt, dass am Ende auch Hasan Ismaik persönlich Verantwortung für sein Fanartikelunternehmen und die streitgegenständlichen Vorgänge übernommen hat.
Es ist wichtig, dass der Fokus nunmehr auf den Sport und ein Miteinander ohne Zensur und mit Fingerspitzengefühl gelegt wird. Die sportliche Leitung, die Mannschaft und die treuen Fans haben sich das mehr als verdient.
Der juristische Teil der Angelegenheit ist abschließend geklärt und der Verlauf des Verfahrens spricht für sich. Zur abschließenden Klärung des persönlichen Teils, hat der Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer ein Gespräch zwischen allen Beteiligten angeboten. Obgleich die erfahrenen Ungerechtigkeiten noch stark nachwirken, wird das Angebot hiermit angenommen.
Nicolai Walch, Rechtsanwalt, Verwaltungsrat TSV München von 1860 e.V.
mit
Ursula Hoppen, Löwenfans gegen Rechts
Regensburg/München am 15.09.2020